Növerhof

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Növerhof im Jahre 1944

(nach Angaben von Marianne Kehres)

Anhand des Ölgemäldes aus dem Jahr 1944 lässt sich die strukturelle Veränderung unseres entlegenen Mucher Weilers gut beschreiben. Damals lebten alle vier hier wohnenden Familien von der Landwirtschaft. Zwei Kühe oder ein Ochse im Stall waren für die kleinen Betriebe normal. Für die nachfolgenden Generationen war damit aber kein Auskommen zu erwirtschaften. Nach und nach gaben sie auf, der größte von ihnen 1992. Die Flächen wurden von Betrieben in der Umgebung gepachtet. Sie dienen jetzt der intensiven Weidewirtschaft und dem Maisanbau. Singende Lerchen und Wildvorkommen, wie Rebhühner und Fasane, an die sich die Alten noch erinnern können, gehören der Vergangenheit an. Auch die wohl letzte Wildkatze der Region erlebte damals ihr jähes Ende durch einen Schuss. Ihr Fell, damals eine Trophäe, hängt heute als Erinnerungsstück in einem Bienenhaus.

Nachdem Bauland ausgewiesen worden war, wuchs der Weiler auf 14 Häuser bunt gemischten Stils. Ebenso vielfältig sind auch die Arbeitsfelder der heute hier lebenden 38 Personen. Dabei wird Eigenständigkeit groß geschrieben und bietet vor Ort sogar einige Arbeitsplätze. Da gibt es eine kleine betreute Lebensgemeinschaft für geistig und mehrfach Behinderte, die im Dorf fest integriert ist. Zudem gibt es ein Büro für Software-Entwicklung, ein Vesta-Zentrum mit Kursen zur spirituellen Entwicklung, eine Kleinimkerei, mit der diese Tradition vom inzwischen verstorbenen Dorfältesten übernommen wurde, sowie - last not least - einen kleinen Schlachtbetrieb.

Nicht jeder Mucher kennt Növerhof, aber fast alle kennen den hier ehemals florierenden Saunabetrieb, der bereits vor 23 Jahren seine Pforten schloss. Seine danach erworbene eher zweifelhafte Berühmtheit rührt von einigen „rotlichtigen“ Wiederbelebungsversuchen her, die allesamt fehlgeschlagen sind. Aber auch das ist schon lange her. Ein Glück für alle.

21 % der hier lebenden Menschen sind Kinder. Der bis dato anhaltende Kinderreichtum unseres Weilers ist eine Freude. Hügelige Landschaft mit Bächen, Wiesen und Wäldern drum herum beflügeln ihre Fantasien, geben ihnen Raum und die Möglichkeit, die Welt mit allen Sinnen zu entdecken. Eine gute Basis fürs Leben. Nicht wenige Növerhofer „Neubürger“ sind gerade ihretwegen hierher gezogen.
87 % der Bewohner sind keine gebürtige Mucher und lediglich zwei von ihnen lebten bereits hier, als das schöne Bild gemalt wurde. Heute sind in Sachen Wohnort Flexibilität gefragt. Alte Heimaten müssen oft auf Kosten von Freundschaften und Familie verlassen wer-den. Niemand kann sich mehr auf viele Jahre festlegen und so wohnen auch die Növerhofer im Durchschnitt hier erst seit 15 Jahren.

Növerhof jetzt, ein typisches Straßendörfchen ohne festen Mittelpunkt ist trotzdem ein Ort, in dem die Bewohner zueinander finden. Oster- und Martinsfeuer, Hochzeiten, Kommunion und runde Geburtstage sind willkommene Gelegenheiten, sich einzuladen und zu begegnen. Menschen mit unterschiedlichsten Ansatzpunkten freuen sich dann aufeinander, nehmen Teil am Glück des anderen und sammeln Kraft für Zeiten, in denen Beistand das Wichtigste ist. So wird ein neues Zuhause zu einem wirklichen Zuhause, und das Wort Heimat bekommt eine neue Bedeutung.

 

Stand: 2005

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