GeDenken * NachDenken * Erinnern

Das Reichsarbeitsdienstlager Much

Gedenkstele am Walkweiher

Etwas abseits vom Einkaufsleben liegt hinter einer kleinen Brücke über den Wahnbach eine Wiese, der Walkweiher. Früher stand dort das "Reichsarbeitsdienstlager" Much.

Von 1941 bis 1942 war dies für viele Juden aus dem Siegkreis die erste Etappe auf dem Weg in den Tod.

Das Lager wurde Mitte der 30er Jahre als Reichs-Arbeits-Dienst-Lager errichtet und am 4. Dezember 1940 geräumt. Es bestand aus einem einfachen Zweckbau mit Fachwerkbaracken, die im Karree um einen Platz angeordnet waren.

Als im April 1941 die erste Besprechung über die „Umsiedlung der Juden aus dem Siegkreis ins Arbeitsdienstlager Much“ stattfand, befand sich dieses bereits in einem relativ verkommenen Zustand: Das Dach war undicht geworden, die Keller standen teils unter Wasser, so dass kein geeigneter Raum vorhanden war, um Lebensmittelvorräte aufzunehmen. Zum Zwecke der Sicherheit wurde das Lager nach dem Einzug der Juden eingezäunt, aber eine gewisse Überwachung fand nur durch die Polizei statt, die in unregelmäßigen Abständen kontrollierte.

Die Lagerordnung besagte:

  1. Es ist den jüdischen Insassen des Lagers untersagt, den Ort Much zu betreten.
  2. Juden dürfen Geschäfte aller Art in Much und Umgebung nicht betreten. Die Lagerverwaltung hat zur Tätigung und zur Ausführung geschäftlicher Obliegenheiten eine einzelne Person besonders zu beauftragen.
  3. Der Besuch der Gastwirtschaften ist Juden verboten.
  4. Die Bänke in den Anlagen der Gemeinde Much stehen nur Einheimischen und den Kurgästen zur Verfügung.
  5. Die vorgesehenen Ausgehzeiten für Juden (vom 1.4. – 30.9. zwischen 6 und 21 Uhr, vom 1.10. – 31.3. zwischen 7 und 20 Uhr) sind einzuhalten.
  6. Der Arbeitseinsatz von jüdischen männlichen und weiblichen Personen kann nur mit Genehmigung des Bürgermeisters als Ortspolizeibehörde erfolgen.
  7. Im übrigen ist jeder Verkehr von Juden mit der Bevölkerung untersagt.
  8. Es ist verboten, als Entgelt für Arbeitsleistungen aller Art Lebensmittel anzunehmen. Die Löhnung für geleistete Arbeit darf nur in Bargeld erfolgen.
  9. Die Nichtbeachtung vorstehender Anweisungen zieht polizeiliche Maßnahmen nach sich.

Dass die Lebensmittelknappheit im Lager groß war, belegt allein die Tatsache, dass den Juden (ca. 117 im Durchschnitt) pro Tag nur zehn Liter Magermilch zur Verfügung standen, die sie im Lebensmittelgeschäft Keppler am Kirchplatz abzuholen hatten.

Dass die Mucher Bevölkerung sehr wohl wusste, wie gefährlich ein Zuwiderhandeln gegen die geltende Lagerordnung war, lässt sich aus diversen Verhaltensweisen schließen. Trotzdem setzten sich einige Mucher Bürger über das offizielle Kontaktverbot hinsichtlich des Umgangs mit den Juden hinweg und beköstigten und entlohnten sie.

Das Jahr 1942 brachte noch härtere Vorschriften, selbst Haustiere verbot die Lagerverwaltung und sogar Miete sollten die Gefangenen zahlen. 6 000 Reichsmark im Jahr schwebten dem Landrat vor. Das Finanzamt in Siegburg legte am 18. November 1941 einen "Grundsteuermessbescheid" vor, sogar mit einer Rechtsmittelbelehrung. Wer nicht zahlte, der durfte dann auch nicht mehr im Lager bleiben.

Dann machten die ersten Nachrichten von der "Evakuierung" die Runde. Aus dem Rheinland wurden die ersten Juden Ende 1941 nach Lodz und Riga deportiert, aus dem Siegkreis im Juni und Juli des Jahres 1942 auch nach Theresienstadt und in die Konzentrations- und Vernichtungslager des Raums Lublin.

Von den in Much internierten Juden konnte nachweislich ein einziger die Verfolgung und Deportation durch die nationalsozialistischen Machthaber überleben.

Quelle: Juden in Much von Bruno H. Reifenrath

Gedenken Sie mit.

Bürgermeister Norbert Büscher vor Gedenkstele

Seit März müssen wir wegen der Corona-Pandemie auf viel Gewohntes verzichten, auch der Gedenkfeier vor Ort an der Gedenkstele am Walkweiher. Doch gemeinsam mit Ihnen möchte ich auch in diesem Jahr am 27. Januar ein Zeichen setzen:

Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus findet statt – wenn auch in anderer Form.

Nur durch eine niemals endende Auseinandersetzung mit der Entstehung und Wirkungsweise des Nationalsozialismus wird es möglich sein, die gegenwärtigen Entwicklungen zu bewerten. Antisemitismus, Nationalismus und Faschismus sind nicht verschwunden – wir müssen die Erscheinungsformen von Antisemitismus, mit allen seinen Facetten und deren Ausprägungen erkennen und uns immer wieder damit auseinandersetzen. Denn, wie der Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Primo Levi es einst formulierte: »Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen«.

Deswegen lade ich Sie ein, mit mir den Weg des GeDenkens und BeSinnens am heutigen Tag gedanklich mitzugehen.

Auch im Namen der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden, lade ich Sie ein, um am visuellen diesjährigen GeDenktag teilzunehmen. Schalten Sie sich für einen kurzen Moment zu unserem Erinnerungsgang  auf Youtube dazu.

Norbert Büscher
Bürgermeister

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